Der unbändige Hass, der sich derzeit auf den Straßen dieser Welt Bahn bricht, hat schon erste modische Früchte hervorgebracht, die sich die junge Generation der Krieger für jedwede Form selbst definierter Gerechtigkeit mit Stolz an die Markenkleidung heften kann. Eine hippe Ikonografie ist unerlässlich, wenn man für das Gute ins Feld zieht. Sie eint und sie vermittelt Botschaften, die einfach sind. So einfach, dass sie Menschen zusammenführen kann, die ihre gesamte Bildung im Bezug auf das zu bekämpfende Übel von TikTok und Instagram bezogen haben. Irgendwann wird wahlweise Herr Varoufakis oder Frau Tlaib auf irgendeinen Balkon steigen, den Sticker von BLM Chicago in die Luft halten (Schwarzer Paraglider auf weißem Grund mit einschlägiger Flagge und dem Satz "Freedom for Palestine") und verkünden "In diesem Zeichen werdet Ihr siegen!"
Diese jungen, europäischen oder amerikanischen Menschen sind sehr bewegend. Ich gebe zu: als ich zwölf war, hatte ich einen Sticker von Che Guevara. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mir jetzt meine eigene Generation vergraule: mit dreizehn habe ich dann gelesen, was dieser Herr so alles bewirkt, angestellt und verbrochen hatte. Seine Homophobie war außerordentlich, sein Antisemitismus erschütternd und seine menschenverachtende Grausamkeit ekelerregend. Ich habe mich damals dafür entschieden, diesen Sticker nicht mehr zu tragen. Diese anrührend eifrigen Studentinnen und Studenten, die in der Lage sind, bei anderen Mikroaggressionen wahrzunehmen wie noch keine Generation vor ihnen, diese beeindruckende Generation, die in der Lage ist, aufgrund metaphysisch aufgeladener Empörung sämtliche Weltgeschichte nachträglich umzubiegen, ist in Teilen derartig privilegiert, dass sie das moralische Recht hat, zu entscheiden, welcher Tod gerecht und welcher ungerecht ist. Das Privileg zu entscheiden, wer leben und wer sterben soll, wer Mensch genug ist, dass er es verdient, bedauert zu werden und wer so wenig Mensch ist, dass er es verdient hat zu sterben und davor seiner Menschlichkeit beraubt zu werden. In dem maximalen Privileg, nämlich der Selbstgewissheit der eigenen moralischen Vollkommenheit ist man berechtigt, alles zu sagen und alles zu tun. Makeup zurecht gemacht, Dress sitzt, modisch alles im Griff, Videofilter ausprobiert, Fahne hoch, dann Handy hoch und skandiert "From the River to the Sea...", prüfen, ob der Take gut genug ist, ansonsten nochmal machen. Gemeinsam sich im Kampf für die richtige Sache wähnen. Dabei alles entmenschlichen, was einem unbotmäßig erscheint. Danach noch zu KFC und Videos sharen. Zur Vernichtung der jüdischen Einwohnerschaft Israels aufrufen und dann noch mal den Lipgloss nachziehen. Hoffentlich gibt`s den Paraglider bald als T-Shirt. Aber gute Qualität bitte, damit er sich nicht so schnell verfärbt. Es ist ein Privileg, ungestraft Massaker zu feiern und zum Mord an den Juden aufzufordern. Man beschimpft und bedroht, beschädigt Dinge und die Menschlichkeit. Man ist so stark, dass man damit davon kommt. Das ist das ultimative Privileg. Es ist das Privileg der Tyrannei. Und das zugegebenermaßen war wohl noch nie so teuer angezogen, so selbstverliebt und so selbstgerecht wie heute.
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